Hannibal erobert die Weiden der Rhön

 

Ginolfs Hannibal geht Fremden derzeit aus dem Weg. Erst jüngst hat er schlechte Erfahrungen mit einem Arzt gemacht. So hat er auch überhaupt keine Lust, fotografiert zu werden. Dabei will ihm - zumindest derzeit - niemand etwas Böses. Im Gegenteil, Hannibal soll sich wohl fühlen und dafür sorgen, dass künftig mehr Gelbvieh auf den Matten der Rhön weidet. Hannibal ist der neue Bulle auf dem Hof von Christine und Gerd Manger, die ihre Herde auf Gelbvieh umstellen wollen und dazu den Bullen mit dem Namen des berühmten Eroberers angeschafft haben.

 

 

 

Bis Hannibal die Rhön tatsächlich erobert haben wird, dürfte noch einige Zeit vergehen. Denn Gelbvieh, einst traditionelle Rhöner Rasse, ist weitgehend von anderen Rinderrassen verdrängt worden. So auch bei den Mangers. Auf ihrem Biohof in Ginolfs dominiert das Fleckvieh.

Doch nicht nur hier, sondern in der ganzen Rhön soll sich das jetzt ändern. Eine breite Allianz von Naturschützern, Biosphärenreservat, Bauernverband, Metzgern und Politikern will das Gelbvieh wieder heimisch machen in der Rhön. So hofft Biologe Karl-Heinz Kolb vom Biosphärenreservat, dass sich nach der Erfolgsgeschichte des Rhönschafes oder der Rhönforelle nun die Erfolgsgeschichte des Rhöner-Gelbviehs anschließt.

Bei einer Auftaktveranstaltung zur Wiedereinführung des Gelbviehs in Bischofsheim ließ sich Gerd Manger endgültig überzeugen und beschloss als erster Landwirt im Rahmen dieser Aktion, seine bisherige Mutterkuh-Herde auf Gelbvieh umzustellen.

Auf der Suche nach wirtschaftlichen Alternativen zum Vertragsnaturschutz, dessen Finanzierung auf Dauer gefährdet sein dürfte, bietet sich die großflächige Beweidung mit Gelbvieh zur Offenhaltung der Hochflächen der Rhön an.

Doch bis dahin gibt es noch eine Vielzahl von Problemen zu bewältigen. So fand Gerd Manger auf dem ganzen Bio-Markt keinen Gelbvieh-Zuchtbullen. Karl-Heinz Kolb musste viele Verhandlungen führen, um eine Regelung zu finden, wie Hannibal, der aus einem konventionellen Betrieb bei Kitzingen stammt, in die Bioherde integriert werden kann.

Um das Fleisch des Gelbviehs besser vermarkten zu können, bedarf es flankierender Maßnahmen. So soll das Rhöner Gelbvieh, ähnlich wie das Rhönschaf, zu einem Imageprodukt der Rhön, zu einer Rhöner Marke werden. Vielleicht wird es daher demnächst ein Gelbvieh-Fest geben oder der "Almabtrieb" wird zu einer touristischen Großveranstaltung, stellt sich Biologe Kolb die mögliche Entwicklung vor.

Für Gerd und Christine Manger ist das noch Zukunftsmusik. Doch auch ihre Gelbvieh-Herde entwickelt sich schon. Denn Manger gelang es, nicht nur Hannibal zu kaufen, sondern auch eine reinrassige Gelbvieh-Kalbin (eine Kuh, die das erste Mal trächtig ist). Vor wenigen Tagen hat Eva ihr Kälbchen geboren. Der Mangersche Gelbviehbestand umfasst also schon drei Tiere.

Das ist allerdings im Vergleich zum Bedarf fast nichts. Vertreter der Firma tegut zeigten sich sehr interessiert am Rhöner Gelbvieh, so Karl-Heinz Kolb hocherfreut. Aber um das Biofleisch rentabel zu vermarkten, würden etwa 1500 Tiere pro Jahr benötigt. Ob diese Zahl überhaupt in der Rhön zu schaffen ist, weiß auch der Biologe nicht. Andererseits könnte ein derart hoher Bedarf für viele Rhöner Landwirte eine Chance bieten, die Existenz ihrer Betriebe zu sichern. Das Gelbvieh könnte durchaus ein wichtiger Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-Faktor in der Rhön werden.

Hannibal ist das egal. In den nächsten Tagen wird der Bulle mit dem Rest der 35-köpfigen Herde auf die Ginolfser Mittelhut getrieben, wo er bis zum Wintereinbruch Zeit hat, seine Gene weiterzugeben. So wird im nächsten Jahr noch mehr Gelbvieh die Ställe der Mangers, und langfristig vielleicht die Rhön insgesamt bevölkern.

 

 

Auszug aus der Mainpost